
Ein Leitfaden zur öffentlichen Auftragsvergabe für KMU
Leitfaden zum EU-Vergaberecht
Das EU-Vergaberecht regelt alle öffentlichen Vergabeprozesse in der EU. Es zu verstehen und navigieren zu können ist damit die größte Herausforderung für Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben möchten. Mit einem Gesamtvolumen von mehreren Hundert Milliarden Euro jährlich bietet dieser Markt enorme Chancen. Doch viele Unternehmen werden von scheinbarem Preisdruck in der Vergabe sowie der Dominanz von Großkonzernen auf dem öffentlichen Ausschreibungsmarkt abgeschreckt und sind daher mit den Regularien, Verfahren und Begrifflichkeiten des EU-Vergaberechts nicht vertraut. Doch gerade für kleine und Mittelständische Unternehmen können öffentliche Ausschreibungen ein wertvoller Weg zur Auftragsgewinnung sein.
Nicht nur in konjunkturschwachen Zeiten mit Auftragsflauten bieten öffentliche Ausschreibungen die perfekte Möglichkeit, vorhandene Ressourcen gewinnbringend einzusetzen und Stabilität zu sichern. Einige Faktoren sorgen dafür, dass öffentliche Ausschreibungen für weitaus mehr Unternehmen eine sinnvolle Auftragsgrundlage bieten können. Ausschreibungen von öffentlichen Einrichtungen sind oftmals, wenn möglich an KMU zu vergeben, oder haben in der Vergabe eine Präferenz für KMU. Einige öffentliche Ausschreibungen scheitern, nicht aufgrund von Preisdruck, sondern weil es schlicht keine fachlich geeigneten Bewerber gibt. Denn nicht nur der Preis ist ein entscheidendes Vergabekriterium, sondern insbesondere die fachliche Eignung und spezifischen Anforderungen der Bedarfsträger. Daher sind öffentliche Ausschreibungen insbesondere für diejenigen Unternehmen interessant, die ihren Fokus auf spezifische Bereiche richten und in diesen herausragende Expertise besitzen.
Unsere Plattform IT tenders bietet Ihnen die Möglichkeit, aus tausenden Ausschreibungen diejenigen zu finden, für die Sie besondere fachliche Eignung aufweisen, und fasst hunderte Seiten an Vergabeinformationen auf einen Blick für Sie zusammen, gibt Informationen über Ihre Erfolgsschancen und spart somit hunderte Stunden an Arbeit. Nun müssen Sie aber noch entscheiden, ob sich auf Basis von Rahmenbedingungen, Vergabeart und -kriterien eine Angebotsabgabe lohnt. Dieser Artikel vermittelt die grundlegenden Prinzipien des EU-Vergaberechts, erklärt zentrale Begriffe und Prozesse und vergleicht die verschiedenen Vergabeverfahren. Ziel ist es, Ihnen das notwendige Wissen an die Hand zu geben, um sich erfolgreich auf öffentliche Ausschreibungen zu bewerben.
Grundlagen des EU-Vergaberechts
Das EU-Vergaberecht regelt die Vergabe öffentlicher Aufträge durch Auftraggeber wie Ministerien, Kommunen oder öffentliche Unternehmen. Es verfolgt das Ziel, einen transparenten und fairen Wettbewerb sicherzustellen, Chancengleichheit zu schaffen und die effiziente Verwendung öffentlicher Mittel zu gewährleisten. Hierbei müssen wesentliche Prinzipien und Vorgaben beachtet werden, die die Basis aller Vergabeverfahren bilden.
Rechtliche Grundlage
Die zentrale Regelung des EU-Vergaberechts findet sich in der Richtlinie 2014/24/EU. Diese wurde in den Mitgliedstaaten in nationales Recht überführt, wie beispielsweise in Deutschland durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und die Vergabeverordnung (VgV). Sie gelten für öffentliche Aufträge oberhalb bestimmter Schwellenwerte und umfassen eine Vielzahl von Regeln zu Verfahren, Kriterien und Abläufen.
Grundprinzipien des EU-Vergaberechts
-
Transparenz: Alle Schritte der Vergabeprozesse müssen dokumentiert und für Bieter nachvollziehbar sein. Das betrifft insbesondere die Veröffentlichung von Ausschreibungen und die Kommunikation von Entscheidungen.
-
Nichtdiskriminierung: Anbieter dürfen nicht aufgrund ihres Sitzes oder anderer sachfremder Kriterien benachteiligt werden.
-
Wettbewerb: Durch die Einladung mehrerer Anbieter wird ein fairer Wettbewerb gefördert, was zu besseren Angeboten führen soll.
-
Verhältnismäßigkeit: Anforderungen und Ausschreibungskriterien müssen angemessen sein und dürfen keine unnötigen Hürden darstellen.
-
Umweltfreundlichkeit und soziale Verantwortung: Zunehmend wird auch die Berücksichtigung nachhaltiger und sozialer Kriterien gefordert.
Umsetzung der Prinzipien in der Praxis
Transparenz im Verfahren
Jede Ausschreibung über den EU-Schwellenwert (https://www.vhw.de/nachricht/neue-eu-schwellenwerte-2024-bis-2025-veroeffentlicht/) muss im Amtsblatt der Europäischen Union (TED – Tenders Electronic Daily) veröffentlicht werden. Hier werden die Anforderungen, Fristen und Kriterien klar benannt, damit alle interessierten Unternehmen gleichberechtigt teilnehmen können.
Lose und deren Bedeutung
Ein zentraler Baustein des EU-Vergaberechts ist die Möglichkeit zur Aufteilung von Aufträgen in Lose. Öffentliche Auftraggeber werden ermutigt, größere Projekte in mehrere Lose zu unterteilen, um auch kleineren Unternehmen die Teilnahme zu ermöglichen.
Beispielhafte Aufteilung:
- Geografisch: Verschiedene Regionen werden als separate Lose ausgeschrieben.
- Funktional: Unterschiedliche Leistungen wie Planung und Ausführung eines Bauprojekts.
- Fachlich: Beispiel: Lieferung von IT-Hardware und Software-Entwicklung.
Ob sich ein Anbieter auf mehr als ein oder alle Lose bewerben kann, die sogenannte Angebotslimitierung, steht der Ausschreibenden Instanz frei. Art und Details der Angebotslimitierung muss allerdings vor Ausschreibungsstart in den Ausschreibungsdokumenten festgelegt sein. Auch die Zuschlagslimitierung, also ob ein Anbieter den Zuschlag für nur ein, mehrere oder alle Lose erhalten kann, muss im Voraus festgesetzt und mit der Ausschreibung publiziert werden.
Kriterien bei der Vergabe
Die Auswahl der Anbieter erfolgt anhand objektiver und nachvollziehbarer Kriterien. Diese lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen:
-
Eignungskriterien (A-Kriterien):
- Nachweise zur finanziellen Stabilität.
- Referenzen zu früheren, ähnlichen Projekten.
-
Zuschlagskriterien (B-Kriterien):
- Niedrigster Preis oder das wirtschaftlichste Angebot.
- Qualitative Faktoren wie fachliche Eignung des Angebotes, Nachhaltigkeit, Lieferzeiten, Lebenszykluskosten oder Servicequalität.
- Optionale Leistungen und Nebenangebote über die in der Ausschreibung festgelegten Vertragsinhalte heraus können bei der Vergabe berücksichtigt werden. Nebenangebote müssen allerdings im Verfahren zugelassen werden.
Die Gewichtung der Kriterien wird vorab in den Vergabeunterlagen festgelegt und kommuniziert. Eignungskriterien beschreiben die Mindestanforderungen, um für die Ausschreibung als geeignet zu gelten. Zuschlagskriterien beschreiben diejenigen Kriterien, nach denen der Losgewinner aus der Liste der geeigneten Bewerber ausgewählt wird.
Referenzen, Umsatzangaben und weitere A-Kriterien
Bei fast allen Ausschreibungen werden als A-Kriterium Referenzen, Mitarbeiterzahlen, Mindestumsätze oder ähnliches gefordert, um sich der Lieferfähigkeit der Bewerber zu versichern. In Anbetracht der Tatsache, dass viele neue und kleinere Unternehmen wie Start-Ups oftmals noch nicht die geforderten Referenzen liefern können, werden immer öfter und insbesondere bei Ausschreibugen, die auf KMU abzielen die Kriterien angepasst. Neben der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Unternehmensgröße können auch technische Leistungsfähigkeit, Ausbildungsnachweise, Umweltmanagementmaßnahmen oder ähnliches A-Kriterien sein. Auch die Vorgabe, nach der normalerweise nicht mehr als die Hälfte der Kapazität eines Unternehmens mit einem Auftrag ausgelastet werden soll, kann hier ausgehebelt werden.
Erweiterte Anforderungen und Entwicklungen, Fokus auf KMUs
Das EU-Vergaberecht hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt, um ökologische und soziale Aspekte stärker zu integrieren, sowie um explizit den europäischen Mittelstand zu schützen. Auftraggeber dürfen beispielsweise umweltfreundliche Technologien bevorzugen, Anbieter mit nachweislich fairen Arbeitsbedingungen belohnen und werden ermutigt, Aufträge an den Mittelstand zu vergeben:
Es wird immer höherer Wert auf die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMUs) gelegt. Die Aufteilung in Lose und die Anpassung der Anforderungen sollen sicherstellen, dass auch kleinere Unternehmen realistische Chancen auf öffentliche Aufträge haben. Zudem können Ausschreibungen als speziell für KMUs geeignet markiert und an diese bevorzugt vergeben werden.
Vergabeverfahren im Detail
Das EU-Vergaberecht bietet eine Vielzahl von Verfahren, die je nach Art, Umfang und Komplexität des Auftrags eingesetzt werden können. Jedes dieser Verfahren hat spezifische Vor- und Nachteile, die für Bieter entscheidend sind. Im Folgenden werden die wichtigsten Vergabeverfahren vorgestellt, ihre Besonderheiten im Detail beleuchtet und spezifische Hinweise für Bewerber gegeben.
-
Offenes Verfahren
Das offene Verfahren ist das am häufigsten verwendete Vergabeverfahren und zeichnet sich durch seine hohe Transparenz aus. Es erlaubt allen interessierten Unternehmen, ein Angebot abzugeben, ohne dass eine vorherige Vorauswahl erfolgt.
-
Ablauf:
- Der öffentliche Auftraggeber veröffentlicht die Ausschreibung mit allen Anforderungen und Fristen.
- Unternehmen reichen ihre Angebote fristgerecht ein.
- Nach Ablauf der Frist prüft der Auftraggeber alle Angebote und vergibt den Auftrag basierend auf den festgelegten Zuschlagskriterien.
-
Vorteile:
- Maximale Chancengleichheit durch offene Teilnahme.
- Höchste Transparenz für alle Beteiligten.
- Breite Auswahl an Angeboten, was die Chance erhöht, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu finden.
-
Nachteile:
- Keine Verhandlungsrunden, wodurch Anpassungen nach der Angebotsabgabe ausgeschlossen sind.
- Hoher Verwaltungsaufwand für den Auftraggeber aufgrund der Vielzahl der potenziellen Angebote.
-
Besonders geeignet für:
-
-
Unternehmen mit klaren, wettbewerbsfähigen Angeboten und standardisierten Leistungen.
-
-
Hürden und Tipps:
- Preisgestaltung: Der Preis ist hier oft ein Hauptkriterium. Kalkulieren Sie konkurrenzfähig, ohne Qualitätsverluste.
- Tipp: Stellen Sie sicher, dass Ihre Dokumentation professionell und klar ist. Verdeutlichen Sie Ihre Erfahrung und legen Sie besonderen Wert auf Referenzen
-
Nichtoffenes Verfahren
Das nichtoffene Verfahren kombiniert eine Vorauswahl mit einer begrenzten Teilnahme. Nur Unternehmen, die die Eignungskriterien erfüllen, werden eingeladen, ein Angebot abzugeben.
-
Ablauf:
- Der Auftraggeber fordert Unternehmen auf, ihre Eignung nachzuweisen.
- Nach der Vorauswahl werden geeignete Unternehmen zur Angebotsabgabe eingeladen.
- Die Angebote werden bewertet, und der Auftrag wird vergeben.
-
Vorteile:
- Effizientere Prüfung durch Begrenzung der Teilnehmerzahl.
- Fokus auf erfahrene Anbieter, die die Anforderungen des Projekts erfüllen.
-
Nachteile:
- Geringerer Wettbewerb, da nicht alle interessierten Unternehmen teilnehmen können.
- Weniger Transparenz im Vergleich zum offenen Verfahren.
-
Besonders geeignet für:
-
-
Unternehmen mit spezifischer Expertise oder Referenzen, die überdurchschnittliche Leistungen und weitreichendes Know-How nachweisen können.
-
-
Hürden und Tipps:
- Eignungsnachweise: Legen Sie großen Wert auf die Darstellung Ihrer Qualifikationen und Referenzen.
- Vorauswahl: Bewerben Sie sich nur, wenn Sie die Eignungskriterien vollständig erfüllen.
- Tipp: Heben Sie Ihre Alleinstellungsmerkmale hervor, etwa technologische Innovationen oder spezifische Marktkenntnisse.
-
Verhandlungsverfahren
Das Verhandlungsverfahren erlaubt es, nach der Abgabe der ersten Angebote in Verhandlungsrunden individuelle Lösungen zu erarbeiten. Dies bietet Auftraggebern und Bietern größere Flexibilität. Das Verhandlungsverfahren kann mit oder ohne Teilnahmewettbewerb stattfinden, also analog zur Ausschreibung mit offenem oder nichtoffenem Verfahren.
-
Ablauf:
- Nach einer eventuellen Vorauswahl reichen die ausgewählten Unternehmen erste Angebote ein.
- In Verhandlungsrunden werden die Angebote verfeinert und optimiert.
- Der Zuschlag erfolgt nach Abschluss der Verhandlungen.
-
Vorteile:
- Flexibilität bei der Ausgestaltung der Anforderungen und Angebote.
- Bessere Anpassung an komplexe Projekte durch iterative Verhandlungsprozesse.
-
Nachteile:
- Hoher Aufwand für beide Seiten.
- Strenge Dokumentationspflichten, die den Prozess verlängern können.
-
Besonders geeignet für:
-
-
Unternehmen, die individuelle Lösungen anbieten können und über Verhandlungskompetenzen verfügen.
-
-
Hürden und Tipps:
- Flexibilität: Bereiten Sie sich auf mehrere Verhandlungsrunden und Anpassungen vor.
- Präsentation: Stellen Sie Ihre Stärken und Lösungsvorschläge klar und professionell dar.
- Tipp: Entwickeln Sie verschiedene Angebotsoptionen und bereiten Sie sich auf Fragen des Auftraggebers vor.
-
Wettbewerblicher Dialog
Der wettbewerbliche Dialog ist speziell für komplexe Projekte konzipiert, bei denen die genaue Lösung zu Beginn der Ausschreibung noch nicht feststeht.
-
Ablauf:
- Unternehmen bewerben sich um die Teilnahme am Dialog.
- Der Auftraggeber führt mit ausgewählten Unternehmen Gespräche, um die Anforderungen und Lösungsansätze zu definieren.
- Nach Abschluss des Dialogs reichen die Teilnehmer ihre finalen Angebote ein.
-
Vorteile:
- Maximale Flexibilität bei der Entwicklung von Lösungen.
- Intensive Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Bietern.
-
Nachteile:
- Sehr zeitaufwändig und ressourcenintensiv.
- Hohe Anforderungen an die Organisation und Dokumentation.
-
Besonders geeignet für:
-
-
Unternehmen mit innovativen Ansätzen und der Bereitschaft zur engen Zusammenarbeit.
-
-
Hürden und Tipps:
- Kommunikation: Seien Sie bereit, Ideen offen zu teilen und anzupassen.
- Kreativität: Entwickeln Sie einzigartige Lösungsvorschläge.
- Tipp: Investieren Sie Zeit in eine detaillierte Bedarfsanalyse und Vorbereitung.
-
Innovationspartnerschaft
Die Innovationspartnerschaft ist ein Verfahren, das speziell für die Entwicklung neuer und innovativer Lösungen konzipiert ist. Sie wird eingesetzt, wenn der öffentliche Auftraggeber ein Produkt oder eine Dienstleistung benötigt, die auf dem Markt noch nicht verfügbar ist oder technologisch noch nicht ausreichend entwickelt wurde.
-
Ablauf:
- Unternehmen bewerben sich, um Teil der Innovationspartnerschaft zu werden
- Der Auftraggeber und der ausgewählte Partner arbeiten zusammen, um eine Lösung zu erforschen und zu entwickeln
- Nach der Entwicklung wird die Lösung dem Auftraggeber geliefert. Der Partner ist in der Regel auch für die anschließende Implementierung verantwortlich.
-
Vorteile:
- Frühzeitiger Zugang zu öffentlichen Aufträgen: Partner haben die Möglichkeit, an Folgeprojekten mitzuwirken.
- Es handelt sich oft um große, jahrelange Projekte, die langfristige Kalkulierbarkeit mit sich bringen.
-
Nachteile:
- Hohe Investitionen und Risiken
- Lange Entwicklungszeiten, erfordert langfristige finanzielle Planung.
- Komplexe Vertragsbedingungen.
-
Besonders geeignet für:
- Unternehmen, die über fortschrittliche Technologien oder Forschungsmöglichkeiten verfügen
- Unternehmen, die hohe Expertise im geforderten Bereich besitzen und Forschungserfahrung besitzen, oder sich auf Forschung und Entwicklung spezialisieren.
-
Hürden und Tipps:
- Kooperationsbereitschaft: Bereitschaft, Ideen offen mit dem Auftraggeber zu teilen und flexibel auf Anpassungen zu reagieren.
- Innovationsfähigkeit: Entwickeln Sie Lösungen, die nicht nur technisch machbar, sondern auch zukunftsweisend sind.
- Langfristige Planung: Stellen Sie sicher, dass Ihre finanzielle und personelle Kapazität ausreicht, um den langfristigen Entwicklungsprozess zu stemmen.
- Tipp: Bereiten Sie sich sorgfältig auf die Bewerbung vor, indem Sie ein detailliertes Konzept zur schrittweisen Realisierung der Lösung entwickeln. Zeigen Sie dem Auftraggeber, dass Sie die erforderlichen Kapazitäten und die Innovationskraft besitzen, um das Projekt erfolgreich umzusetzen und liefern Sie eine klare Darstellung der Meilensteine.
Vergabefristen
Für offene und nichtoffene Verfahren gelten unterschiedliche Angebotsfristen. Bei offenen Verfahren betragen diese:
- 35 Tage
- 30 Tage, falls die Angebotsübermittlung elektronisch erfolgen kann und
- 15 Tage, falls die Ausschreibung eine erhöhte Dringlichkeit hat oder die Ausschreibung bereits im Voraus angekündigt wurde
Für nichtoffene Verfahren betragen die Fristen mit denselben Bedingungen entsprechend
- 30 Tage
- 25 Tage
- 10 Tage
Die obigen Vergabeverfahren beziehen sich auf die Verfahren, die für eine Vergabe oberhalb des EU-Schwellenwertes zugelassen sind. Öffentliche Institutionen, Behörden und Unternehmen sind allerdings bereits im mittleren vierstelligen Bereich verpflichtet, auszuschreiben. Die sogenannte Unterschwellenvergabe macht über 90% aller Ausschreibungen aus. Hierbei handelt es sich oft um Lieferverträge und kleineren Dienstleistungsverträgen. Unterschwellenvergabeverfahren ähneln den Verfahren oberhalb der Schwelle, daher werden sie hier nur kurz erwähnt.
-
Öffentliche Ausschreibung: Analog zum offenen Verfahren. Vor der Frist können alle Interessenten ein Angebot abgeben, im Anschluss wird nach den Vergabekriterien und deren Gewichtung das passendste Angebot ausgewählt.
-
Beschränkte Ausschreibung: Ähnlich dem nichtoffenen Verfahren. Anhand eines Teilnehmerwettbewerbes wird der Adressatenkreis bestimmt, der anschließend ein Angebot abgeben kann. Eine beschränkte Ausschreibung kann auch ohne Teilnahmewettbewerb stattfinden, diese Art der Vergabe bringt allerdings zusätzlich Voraussetzungen wie eine hohe Dringlichkeit oder eine bereits gescheiterte öffentliche oder beschränkte Ausschreibung mit Teilnehmerwettbewerb.
-
Verhandlungsvergabe: Analog zum Verhandlungsverfahren oberhalb der Schwelle, mit oder ohne Teilnehmerwettbewerb möglich.
Die Unterschwellenverfahren unterliegen verschiedenen Vergaberegelungen, können sich in Details also unterscheiden. Die Grundlage hierfür ist die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), die einmal in einer Fassung des Bundes für die Bundesebene und je nach Bundesland in einer Landesfassung für Vergaben auf Landes- und Kommunalebene vorliegt. Aufgrund der Analogie zu den Verfahren über dem EU-Schwellenwerte lässt sich das Wissen über Verfahren auf EU-Ebene auch auf Ausschreibungen auf Bundes- und Landesebene anwenden.
Praktische Tipps für Bewerber
- Analyse der Ausschreibung: Prüfen Sie alle Vorgaben, Fristen und Kriterien genau. Fehler oder unvollständige Unterlagen können zum Ausschluss führen.
- Vorbereitung: Sammeln Sie Nachweise und Referenzen rechtzeitig. Stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen die Eignungskriterien erfüllt.
- Individuelle Anpassung des Angebots: Heben Sie Ihre Stärken hervor und stellen Sie detailliiert dar, wie Ihr Angebot den spezifischen Anforderungen gerecht wird.
- Kommunikation: Nutzen Sie die Fragerunde, um Unklarheiten zu beseitigen und Ihre Strategie abzusichern, aber auch um ihre fachliche Kompetenz für das Projekt abzuschätzen oder die Passgenauigkeit ihrer Lösung zu überprüfen.
- Präzise Kalkulation: Vermeiden Sie unrealistisch niedrige Preise, die Ihre Seriosität infrage stellen könnten. Kalkulieren Sie so, dass ihr Angebot wirtschaftlich bleibt, und beachten Sie die Gewichtung der Vergabekriterien mit Blick auf die Preisgewichtung.
Das EU-Vergaberecht bietet Unternehmen, insbesondere KMU immense Chancen, birgt aber auch Herausforderungen. Wer die Grundlagen der Verfahren versteht, Vergabekriterien analysiert und die Besonderheiten der einzelnen Verfahren kennt, hat aber alle Mittel an der Hand, um diesen riesigen Markt zu erschließen.